Potosí, Bolivien. Ich sitze in der angeblich wärmsten Bar Potosís. Im Hostel wär’s mir grad definitiv zu kalt. Draußen hat’s ca. 5 Grad – ich bin seit heute in der weltweit höchstgelegensten Stadt nach La Paz: 4.000 Meter. Ich trinke eine Sprite, in solchen Höhen schadet bissl Zucker nicht. Mir ist auch leicht schwindlig und ich atme schwer. Erstmal an diese Höhenlagen gewöhnen. Seit gut 4 Wochen toure ich jetzt alleine durch Südamerika. Wobei – alleine bin ich nie. Auch jetzt nicht – Frida sitzt neben mir.
Days travelled: 223
Distance travelled by car: 55.988 km (davon 18.848 in Südamerika)
Beds I slept in: 95 (includes cars & campers)
Countries: 9
Katja war also weg und ich allein. Nachdem ich sie zum Flughafen gebracht hatte, schlief ich erstmal noch eine weitere Nacht in Sao Paulo und organisierte mich und Sams erstmal neu. Ich war allerdings wirklich froh, als ich die hässliche Großstadt am nächsten Morgen verließ. Ich war allein und das war irgendwie ein komisches Gefühl. Nach über 6 Monaten, die ich Tag ein Tag aus mit Katja verbrachte, war ich nun allein und genoss es. Das Alleinsein war toll. Ich drehte die Musik laut auf, sang mit. Ja keinen störte das. Ich ließ mich auf’s Bett fallen und hatte das ganze Bett für mich. Herrlich. Und ich hatte auch ein Ziel: Abadiania.
Mein spiritueller Ausflug
Abadiania ist ein Ort nahe der brasilianischen Hauptstadt Brasilia. Dort treffen sich Menschen aus aller Welt, um zur Ruhe zu kommen und in die spirituelle Welt abzutauchen. Dieser Ort hat eine ganz besondere Energie, ich fühlte mich wohl und machte ganz neue Erfahrungen. Ich hatte zuvor keinerlei spirituelle Erlebnisse… Ich blieb auch gleich mal geschlagene zwei Wochen und werde demnächst auch wieder zurück nach Abadiania fahren. Details würden diesen Beitrag sprengen und womöglich ist die spirituelle Welt auch nicht Jedermanns Sache. Wen’s interessiert, was ich dort so erlebt habe, der kann mich gerne fragen 🙂
Ich verließ Abadiania und machte mich auf in Richtung Bolivien. Brasilien ist zwar ganz schön, aber vom Hocker gehau’n hat mich das Land keineswegs. Gut, soooo viel hab ich jetzt auch nicht gesehen von dem riesen Land… Auf meinem Weg hab ich diverse tolle Menschen kennengelernt: da wäre einmal der nette Polizist, in dessen AirBnB-Wohnung ich zwei Tage blieb und beispielsweise ein alter Opi, bei dem ich im Kinderzimmer seines mittlerweile erwachsenen Sohnes schlafen durfte. Oder aber der iranische Mathe-Professor, der eigentlich in New York lebt, aber momentan durch die Welt reist. Ganz toll war auch das brasilianische Pärchen, das sogar Deutsch sprach. Der Abend mit den beiden endete und am nachfolgenden Tag spürte ich leichte Kopfschmerzen. Das letzte Bier war sicher schlecht! 😉
Die Straßen Brasiliens toppten alle bisher (ja, bisher) gesichteten Straßen. Ich traf eines Tages auf eine Bundesstraße, die sich eigentlich gar nicht als Straße schimpfen dürfte. Das waren mehr Schlaglöcher als Teer. Sams war tapfer und gab nicht auf. Sams, mein treuer Begleiter. Ohne ihn wär ich definitiv aufgeschmissen. Und ohne ihn würd ich definitiv nicht so viele Abenteuer erleben…
Chilenische Autosteuer und bolivianische Straßen
Tja, irgendwie war der Stress mit Sams noch nicht vorbei. Nach all den Problemen mit seinen Papieren und der damit zusammenhängenden Ausreise kam nun die Autosteuer. Diese muss jährlich bis Ende März bezahlt werden – geht auch online, wurde mir gesagt. Jaaaaaa, haha. Würde wohl auch gehen. Aber was läuft bei Sams & mir schon auf Anhieb glatt? Genau, nichts! Die Seite ist aus dem Ausland nicht erreichbar und ich steckte ja in Brasilien. Gut, dass ich in Santiago die ein oder andere Person habe, die mich gern hat und mir hilft 🙂 Nur leider zog sich das Ganze vor Ort auch knapp 2 Wochen. Mir fehlte wohl wieder mal ein Dokument- das wurde mir wohl per Post zugeschickt, kam allerdings nie an meiner angegebenen Adresse an. Na herzlichen Glückwunsch. Wie auch immer – mein rettender chilenischer Engel regelte alles für mich. Steuer und obligatorische Versicherung sind bezahlt, Sams und ich haben die aktuellen Papiere. Yesssss. Vielleicht war’s das ja jetzt mal endlich mit dem Auto-Stress? 😉
Tja, in Bolivien kamen dann die Straßen, die alles bisher Gesehene nochmals toppten. Wir (ja, wir – Frida & ich) brauchten da auch mal 5 geschlagene Stunden für 130 Kilometer. Nein, nicht Stau o.ä. Es geht hier lediglich um den Zustand der Straße. Es war nachts, sie führte durch’s Gebirge und es handelte sich um mehr Schlaglöcher als alles andere. Immerhin Asphalt. Wobei mir da der Schotterweg am darauf folgenden Tag lieber war. Auch nachts. Ja, ich weiß – Südamerika als Frau, nachts… Schlechte Idee. Aber soll ich euch was sagen? Ich kann nix dafür. Die Bolivianer sperren einfach mal komplette Straßen den ganzen Tag. So kam es auch, dass wir zu einer Sperre gelangten, die uns durch’s Gebirge nach Aiquile führen sollte. Es war 15 Uhr, die Straße war noch bis 18.30 Uhr gesperrt. Na herzlichen Glückwunsch. Also zurück ins Dorf und warten…
Wer ist meine neue Begleiterin?
Jezt aber mal die kurze Erklärung: Wer ist eigentlich diese Frida? Frida hab ich in Corumbá im Pantanal – dem weltweit größten Feuchtgebiet – kennengelernt. Ihr wisst, ich bin spontan. So kam’s auch, dass ich sie nach nur 15 Minuten quatschen gefragt hab, ob sie nicht Bock hat, mit mir weiter zu reisen. Gefragt, passiert 🙂 Frida ist eine super liebe Münchnerin, die auch alleine unterwegs ist. Und da wir zufällig die selbe Route hatten, passte das auch sehr gut 🙂 Jetzt reisen wir schon eine Woche miteinander durch die Gegend und es fühlt sich an, als würd ich sie schon ewig kennen. Es ist toll, es macht Spaß, wir erleben so viel, dass wir abends tot ins Bett fallen und es nicht mal schaffen, Tagebuch zu schreiben – geschweige denn Blog 🙂
Die gefräßigen Krokos und das fette schwarze Schaf?
Das Pantanal, ein wunderbares Fleckchen Erde. Unseren ersten gemeinsamen Tag verbrachten Frida und ich 10 Stunden im Auto, wir durchquerten das Pantanal. Viel, viel Wasser und viele, viele Tiere. Leider hatten wir uns – was die Länge des Weges anbelangt – etwas verschätzt. Aber es tauchten auch immer mehr Tiere auf. Neben unzähligen wunderbaren Schmetterlingen begeneten uns auch immer mehr Vögel und vor allem eines: große, fette & gefräßige Krokodile. Sie schwammen in den Gewässern oder chillten außerhalb, hechelten vor sich hin – vor Hitze. Wir ärgerten uns währenddessen mit den Unmengen an Mücken ab. 10 Sekunden das Fenster auf, schwupp waren auch schon wieder 20 der Drecksviecher an Board. Ihr wollt nicht wissen, wie wir abends aussahen… Und dann plötzlich das große schwarze Tier, das aussah wie eine Mischung aus Schaf und Otter: Das Wasserschwein (Capiwara) ist das heute größte lebende Nagetier. Gefühlt 500 Fotos später kehrten wir nach einem gigantischen Sonnenuntergang ins Hostel Road Riders zurück. Super toller Besitzer (Diego), der mir am nächsten Morgen vor Abfahrt glatt noch das Licht aus’m Auto seines Papas ausgebaut und es in Sams eingebaut hat! Danke, Diego! 🙂 Das Hostel kann ich zu 100 % weiterempfehlen! 🙂 Und das Pantanal sowieso…
Der bolivianische Grenzstress und die Simpsons-Polizisten
Und dann passierten wir die Grenze in Richtung Bolivien. Ich war traurig, weil ich das Land des unheimlich guten pao de queijo (Käsebrot-Kügelchen) verließ, freute mich aber unheimlich auf Bolivien. Und ob ihr’s glaubt oder nicht: das war die allererste Grenze, an der ich wohl alle benötigten Papiere und keinerlei Stress hatte. Gedauert hat das Ganze allerdings doch etwas länger als sonst. Warum? Weil’s null Organisation gab und man von A nach B laufen und sich durchfragen musste. Kopieren hier, Kopien dort – endlich hatte ich den Stempel in meinem Pass und die bolivianische Fahrerlaubnis für Sams. Check. Wir hoben Geld ab (wohooo – ohne Probleme; in Brasilien gab’s fast nie auf Anhieb Bargeld), wir tankten günstig und freuten uns. Ha – da war sie, eine Leine quer über die Straße gespannt, mitten im Nirgendwo. Nebenbei ein kleines Häuschen, vor dem zwei Polizisten saßen, die sich nicht bewegten. Sie schauten die Simpsons auf’m TV. Das Papier, das sie wollten, hatten wir nicht. Natürlich nicht 🙂 Also nochmal 10 km zurück ins nächste Dorf, die dort ansässige Polizei aufsuchen. Im Gebäude saß ein schlafender Opi mit seinem Stock und sonst war weit und breit keiner zu sehen. Irgendwann kam er, der Offizier. Ich durfte in sein Hinterkämmerchen mitkommen, er stellte mir ein weiteres Papierchen (Traslado) aus, das natürlich etwas kostete (100 BOL = ca. 14 Euro). Auf dem Tisch stand benutztes Geschirr, auf dem Boden lag ein Plastikbecher, aus der Wand hingen die Steckdosen raus. Staub gewischt hat da schon mehrere Jahre keiner mehr. Ein Ort, den ich wohl nicht mehr vergessen werde. Er war nett, nach 15 Minuten war alles erledigt und wir suchten die Simpsons-Jungs wieder auf. Und weiter ging die Fahrt… Dass das nicht meine letzte Begegnung mit bolivianischen Polizisten sein würde, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht… 😉
Kathi die Doofnuss
Es folgten diverse Polizeikontrollen – jeden Tag mindestens eine. Während ich beim ersten Mal noch echt nervös war, geh ich das Ganze mittlerweile mehr als gechillt an. Sie stehen am Straßenrand und gucken die vorbeifahrenden Nummernschilder an. Zack – Chile – bäm, rausgewunken. Immer das Gleiche… und ab der Sekunde kommen meine Doofnuss-Fähigkeiten zum Einsatz. Eine weise Frau in Abadiania meinte vor ein paar Wochen zu mir, ich solle doch ab und an auf Doofnuss machen, damit ich nicht über’s Ohr gehauen und/oder meine Gutmütigkeit ausgenutzt würde 😉 Ich spreche die teils netten, teils unsympathischen Polizisten auf Englisch an. Ich kann natuerlich offiziell kein Spanisch… Tja, deshalb versteh ich leider auch nicht, dass sie jedes Mal Geld von mir wollen. Oder eben eine neue Fanta. Ich mein, tut mir ja leid, dass seine Fanta-Flasche leer ist, aber was hat das jetzt mit meinen korrekten Autopapieren zu tun? 😉 Anfangs fiel’s mir noch echt schwer, so zu tun, als ob ich nichts verstünde… mittlerweile bin ich richtig gut darin. Mit Händen und Füßen erkläre ich. Und der eine sagt mittlerweile auch schon zum anderen:
Ach, das brauchst sie gar nicht fragen, versteht die eh nicht… 🙂
Blöd für die Polizisten, wenn man auf eine Doofnuss trifft und kein Geld abkassieren kann 🙂 Ich muss bei solchen Kontrollen immer in ihr kleines Häuschen kommen, mein Traslado und meinen Führerschein vorzeigen und schön lächeln. Während meiner Kontrolle kommen meist unzählige Bolivianos ans Fenster, zeigen ihren Führerschein vor und geben dem Polizisten 2 Bolivianos (ca. 28 Cent). Diese verschwinden in einem Schlitz oben an seinem Schreibtisch 🙂 Erfahrungen, die man wohl nur mit dem eigenen Auto macht hier in Bolivien 🙂
Das 4 Euro-Bett und der 20 Euro-Tank
Tanken in Bolivien ist auch ein Fall für sich: Bolivianos zahlen 50 Cent pro Liter, Ausländer knapp 1,50 Euro. Warum? Benzin und Diesel sind für Bolivianer subventioniert, wir zahlen (eigentlich) den normalen Preis. Findet man allerdings eine Tanke ohne Kamera, kann man auch mal Glück haben und nur 50 Cent zahlen. An einem Tag hatten wir so viel Glück, dass wir für knapp 20 Euro volltankten und für 4 Euro pro Person auch noch ein Bett fanden 🙂 Bolivien ist günstig, sehr sogar.
- Da fährt man mit Sams an eine Tanke, damit die dort das Kühlerwasser auffüllen. Was machen die Brasilianer? Schütten einfach eine Gießkanne Leitungswasser rein. Na gut… 😉
- Ich wurde in einem Supermarkt in Brasilien quasi gezwungen, eine Banane und eine einzelne Zwiebel je in eine eigene Plastiktüte zu packen (für das Etikett), nur um an der Kasse nochmals eine Plastiktüte zu bekommen. Das macht mich wütend. Den Umgang mit Plastik müssen die Südamerikaner alle noch lernen, leider…
- Paranoid wie ich bin, lauf ich (was eben laufen bei mir ist) schon mal nachts voller Panik barfuß raus, weil ich denke, dass ich Sams‘ Alarm höre. Bisher war’s allerdings immer ein anderes Auto. Glück gehabt. Aber verständlich, oder? Sams ist momentan mein ganzes Hab & Gut! 🙂
- Meine drei Wochen alleine in Brasilien hat’s jeden Tag geregnet. Heute – hier auf 4.000 Metern Höhe in Bolivien – hat’s richtig gehagelt und geregnet, sodass der Boden weiß bedeckt war… Winter? Nein, danke.
- Für meine Hilfsbereitschaft (in Santiago de Chile gestrandeter Bruder von Pensions-Besitzerin ohne Geld und Dach über dem Kopf) gab’s eine Hängematte geschenkt. Neben einem großen Gemälde, das ich von einer lieben brasilianischen Künstlerin namens Marli geschenkt bekam, fahr ich jetzt also auch noch eine Hängematte durch die Gegend 🙂
Aras & Kinder im Dreck
Bonito soll eine der schönsten Städte und Gegenden Brasiliens sein. Leider, leider regnete es ab meiner Ankunft so stark, sodass ich nicht wirklich viel dort unternommen habe. Die Umgebung ist für ihre Naturschutz-Gewässer, in denen man schnorcheln kann und unzählige Wassertiere bestaunen kann, bekannt. Well, next time 🙂 Zu meinem Glück flogen mir allerdings zwei rote Aras auf meiner Tour durch die Stadt über den Weg. Ich Glückspilz meinten alle 🙂 Und ein ganz besonderes Bild bot sich mir, als ich durch die Wohngegend fuhr: drei kleine Jungs, die voller Freude in einem Schlammloch umherhüpften. Das Größte für die Kleinen und die Erinnerung des Tages für mich 🙂
Heute, vier Wochen nachdem Katja sich wieder auf den Weg nach Deutschland gemacht hat, bin ich noch immer froh, dass alles so lief, wie’s lief. Mit/durch Frida erlebe ich eine ganz andere Art des Reisens, ich wäre wohl auch nie nach Abadiania gefahren und hätte diese tollen spirituellen Erfahrungen gemacht. Es sollte alles so sein und das ist gut so. Ich hatte endlich Zeit für mich, Zeit nachzudenken. Diese Reise verändert mich und hat mich bereits verändert. Ich höre ab und zu mal klassische Musik, trinke Rotwein und habe gelernt, mir Zeit für mich zu nehmen und die Natur zu lieben. Neben all dem Studium- und Arbeitsstress in Salzburg kam vor allem einer zu kurz: ich. Und gerade versuche ich, sehr auf mich selbst zu achten. Rauszufinden, was ich will. Rauszufinden, welcher Weg mein Weg ist.
So, und jetzt begeben Frida und ich uns auf den Weg in das eiskalte Hostel. Wir haben uns extra das Zimmer mit Doppelbett und ohne Fenster ausgesucht, in der Hoffnung, dass es darin wärmer ist, als in den Dorms mit Fenstern 🙂 Mal gucken, wo wir uns noch paar mehr Decken abluxen 😉
Warum Bolivien so anderes und besonders ist und welch unbeschreiblichen Ort ich heute entdeckt habe, erzähl ich euch dann demnächst. Das Land ist definitiv das abenteuerreichste bisher 😉
Eisige Grüße,
eure Kathi
PS: Wenn du alleine reist, bist du nie wirklich alleine. Nur, wenn du es wirklich willst.