Manchmal ist es alles andere als einfach mit Handicap. Wenn ich zum Beispiel wieder mal vor einer Stufe ohne Geländer stehe oder aber gerne diese verflixten Sanddünen sehen möchte, die Straße für Sams (mein Auto, das ich mir auf meiner Weltreise in Chile gekauft habe) aber mehr als ungeeignet ist und der Fußmarsch einfach mind. 40 Minuten betragen würde. Auf so einer Straße komme ich mit Rolli auch nicht wirklich weit. Früher kamen dann immer verzweifelte Gedanken nach dem Motto:
Warum ich? Warum kann ich nicht gesund sein, wie alle anderen? Warum habe ich dieses Handicap? Ich würde mich auch so gerne frei bewegen, rennen und klettern können. Aber das geht eben leider nicht…
Jahrelang hab ich versucht, mein „Problem“, mein Handicap irgendwie zu verheimlichen. Ich merkte, dass mir das Treppen steigen immer schwerer fällt und laufen war irgendwie auch nicht mehr drin. Meine Knie spielten irgendwie nicht mit. Aus Angst, mich einer Kniegelenks-OP unterziehen zu müssen, vermied ich jeden Arzt. Irgendwann aber fiel es meiner Familie langsam auf und meine Schwester zwang mich sozusagen zu einem Arztbesuch. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich brachte unzählige Arztbesuche hinter mich, verbrachte knapp zwei Wochen im FBI in München (Muskel-Spezialklinik), in der sie mich auf Herz und Nieren durchcheckten. Ergebnislos – zumindest was einen Namen für die Krankheit anbelangt. Ja, es handelt sich um eine Muskelschwäche, aber welche jetzt genau und wie’s mit einer Prognose aussieht, konnte mir kein einziger Arzt sagen. Ganz schön deprimierend – damals.
Heute weiß ich, dass es egal ist, ob eine Krankheit einen Namen hat oder nicht. Es ist egal, ob dir ein Schulmediziner eine Prognose abgeben kann oder nicht. Du bist nämlich der Schöpfer deines Lebens. Ganz allein du entscheidest, wie deine Zukunft aussieht. (Wichtig: Das ist meine Meinung. Sicherlich sieht das nicht Jeder so. Das ist ok. Jeder darf seine eigene Meinung haben.)
Die Gedanken kreisten damals in meinem Kopf. Was, wenn ich in fünf Jahren im Rollstuhl sitze, weil sich die Krankheitssymptome ausweiten und meine Muskeln immer schwächer werden? Ich wollte ungern nochmal so eine Phase durchmachen wie damals, als ich versucht habe, die Schwäche zu verheimlichen: Ich war viel zu Hause und verabredete mich nicht an unbekannten Orten. Wer weiß wie viele Treppenstufen dort auf mich warten und welche Ausreden ich mir wieder einfallen lassen muss? Nein. Bevor ich mich nur noch fahrend fortbewegen kann wollte ich raus in die weite Welt. Und so fasste ich den Entschluss, mir meinen Traum einer Weltreise zu erfüllen. Ich fand meine Reisepartnerin Katja, die von der ersten Sekunde an keinerlei Probleme mit der Krankheit hatte, und verließ Europa.
Ihr dürft euch das so vorstellen: Meine Muskeln sind dauerhaft aktiv und arbeiten, auch wenn ich sie nicht brauche. Sobald sie dann etwas tun sollen, sind sie schwach und werden immer schwächer. Beispiel: Obwohl mein Arm ruht und gerade nichts aktiv macht, arbeiten seine Muskeln. Sobald er dann eine Tasche hochheben soll, ist er müde. Klar, er war ja auch die ganze Zeit aktiv.
Die Muskelschwäche betrifft meinen kompletten Körper, dabei sind Herz, Lunge und z. B. meine Augen-Muskeln voll ok. Hauptsächlich verspüre ich die Schwäche in meinen Beinen, weshalb es mir nicht möglich ist, längere Strecken zurückzulegen. Ich kann gehen, um Gottes Willen. Aber eben nicht so flott wie manch anderer, der kein Thema mit seiner Mobilität hat. Steigungen fallen mir schwer, Treppen sind anstrengend. Es geht fast alles, nur bin ich danach meist gut kaputt. Aber ich nehme (fast) jede Herausforderung an. Egal ob durch Schnee laufen (das hab ich mich vor zwei Monaten nach Jahren endlich mal wieder getraut) oder mich auf Sandberge schleppen, um einen Sonnenuntergang zu sehen (der dann gar nicht so toll war – aber hey, ich hab’s hochgeschafft). Ich trotze diesem Handicap gerne!
Ich kann viel, viel mehr, als mir bewusst ist. Oft benötige ich gar keine wirkliche Hilfe, sehr oft reicht ein kleiner Finger, an dem ich mich festhalten kann, nur um zu wissen, da ist Hilfe da, für den Fall dass…
Ich hab gelernt, um Hilfe zu bitten. Die meisten Menschen helfen gerne und sind super fürsorglich. Meine anfängliche Scheu, beispielsweise wenn ich aufgrund der Schwäche stürze, ist verflogen. Ich kann nun ohne Probleme sofort mitteilen, wie man mir am besten helfen kann und was los ist. In Neuseeland bin ich mal über meinen Flip Flop gefallen und sofort kamen ca. 10 Marktleute angestürmt (das war in einer Zeit vor Corona, v.Co. quasi), die mir aufhalfen und mich auf einen Stuhl setzten. Ich solle mir eine Mütze aufsetzen, bei dieser Hitze… Die haben alle auf einmal gequasselt, da kam ich gar nicht zu Wort. Die Hitze macht mir doch nix aus haha.
Ich hab gelernt, keine Angst zu haben. Ja gut, ich kann nicht wegrennen (zumindest momentan noch nicht). Aber ich kam auch kein einziges Mal in eine Situation, in der ich wegrennen hätte müssen. Alles eine Einstellungssache, würde ich sagen. Alles im Leben passiert aus einem Grund. Und wenn was Uncooles passiert, ja dann möchte dir das Leben was mitteilen, nämlich: Schau hin und lerne!
Ich hab gelernt, über mich hinaus zu wachsen.
Ja, ich geb ganz schön viel preis von mir. Warum? Aus einem ganz bestimmten Grund: Ich möchte anderen Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation wie ich befinden, die auch ein Handicap haben, Mut machen. Traut euch! Reisen bereichert einen so sehr. Reisen macht glücklich. Reisen kann gesund machen. Wenn ich das kann, dann könnt ihr das schon lange!
Dieser Blog lag jetzt einige Jahre brach. Nun möchte ich ihn aber wieder zum Leben erwecken. Er wird immer ein Travel-Blog bleiben – neben meinen Geschichten rund um meine Weltreise möchte ich euch jetzt aber auch barrierefreie Reiseziele näher bringen und euch an meiner inneren Reise zum Glück, zum gesund werden, teilhaben lassen.
Herzlichst,
eure Kathi
Stand: Februar 2022
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