Niederbayern, Deutschland. Ich bin nun seit gut einer Woche zurück, zurück auf europäischem Boden. Angekommen bin ich noch immer nicht wirklich. Es fühlt sich an, als würde ich zwischen zwei Welten leben. Einerseits dem vermeintlich fortschrittlichen Deutschland, in dem heißes Wasser selbstverständlich ist und in dem wir alle erfolgsgetrieben leben, uns ständig Gedanken um unsere Zukunft machen à la „ich muss für mein Rentenalter vorsorgen“. Ein Land, in dem du schief angeschaut wirst, wenn du mit 30 noch nicht verheiratet bist, keine Kinder hast/willst und noch nichtmals ein Eigenheim hast oder willst. Das ist unser Standard hier in Deutschland, zumindest ich empfinde es so.
Dem entgegen steht das karibische Costa Rica. Ein Land auf einem wunderschönen Kontinent, gesegnet mit einer unfassbar schönen Natur. Ein Land, das weitestgehend von Naturkatastrophen verschont bleibt, das einzige Land der Welt ohne Militär. Eines, in dem du mit kaltem Wasser duschst, das aus einem Rohr auf dich herabprasselt, in dem das Internet hin und wieder ausfällt, wenn es regnet, in dem die Menschen im Hier und Jetzt leben und sich nur Gedanken um morgen, nicht aber übermorgen machen. Ein Land, in das ich mich vom ersten Moment an verliebt habe.
Digitalisierung in Costa Rica & mein Arsch
Warnung: Möglicherweise etwas ekliger Content.
Im letzten Beitrag hatte ich ja bereits erwähnt, dass mich ein nettes Insekt in meinen Allerwertesten gestochen hatte. Nachdem die Einstichstelle auf die Größe meiner Handfläche angeschwollen & entzündet war, ich unfassbare Schmerzen hatte, nicht mehr wirklich sitzen konnte, die costaricanischen Hausmittelchen (Knoblauch, Chili & Co. drauf reiben) auch nichts mehr halfen und ich ziemlich weinerlich wurde, sind meine Gastmama und mein kleiner Bruder mit mir in die Notfallklinik. Boah hatte ich Schiss! Meine Gastmama, meine Schwester & ein Cousin hatten zuvor zu Hause bereits Hand angelegt und versucht, das Ganze auszudrücken – es war zu einem Abszess herangewachsen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, welche Schmerzen das waren. Toll war vor allem, dass der Arzt jung und ziemlich gutaussehend war. Na dann viel Spaß mit meinem Hintern, dacht ich mir…
Insgesamt war ich dann 2x bei dem heißen Arzt, der es wirklich verstand, mich von meinen Schmerzen abzulenken. Er hat mich über meine Reisen ausgefragt – ja und da kann ich ja ohne Punkt und Komma labern. Und ich muss sagen, ich war mehr als überrascht von der wirklich guten Organisation dieser Klinik. Vor allem aber von der bereits weit fortgeschrittenen Digitalisierung im Gesundheitswesen. Rucki Zucki hatte ich eine costaricanische Krankenversicherungsnummer, die wohl mein Leben lang gültig ist. Auf diese Nummer wurde ein Rezept für Antibiotika & Ibu ausgestellt – die Medikamente konnte ich dann in der Apotheke nur mit besagter Nummer abholen. Und das Ganze komplett ohne unnötigen Papierkrieg. Also von wegen Rezept auf Papier – da könnte sich Deutschland eine wirklich richtig große Scheibe von abschneiden. Kurios war allerdings, dass ich weder für die erste noch die zweite Behandlung etwas bezahlen musste. Da war ihnen die Bürokratie wohl too much. #puravida
Mittlerweile geht’s meinem Hintern besser, ich kann zumindest wieder sitzen. Ich hab mich natürlich gefragt, warum mich dieses Vieh ausgerechnet in den Hintern sticht. Mittlerweile kenne ich die Antwort. Alles im Leben passiert nämlich aus einem Grund. Auch so ein saudummer Stich. Seitdem ich denken kann hab ich nämlich ein Problem mit meinem Hintern – der ist doch viel zu groß. In unseren Breitengraden hier sieht das weibliche Ideal einen 90-60-90 Körper vor, einen Körper ohne überdimensional großen Hintern.
Der Weg zur Selbstliebe
Seit gut sechs Monaten bin ich dabei, mich und meinen Körper jeden Tag ein Stückchen mehr zu akzeptieren. Ich lerne, ihn zu lieben. Das ist definitiv ein Stückchen Arbeit. Aber wisst ihr was? Dieses Vieh hat mir einen großen Gefallen getan. Während es mir am Anfang noch super unangenehm war, meine Gastmama oder den Cousin an meinen Hintern zu lassen, um den Stich zu versorgen, habe ich diese Scham von Tag zu Tag ein Stückchen mehr abgelegt. Und die unfassbar vielen Komplimente und Blicke, die ich für mein Hinterteil in Costa Rica geerntet habe, haben bewirkt, dass ich meinen Arsch jetzt nochmal ein großes Stückchen mehr liebe. In Costa Rica ist das Schönheitsideal nämlich ein Hintern wie meiner.
Eines Morgens standen dort meine Gastmama, ihre Tochter und zwei Lehrerinnen beisammen und meinten plötzlich „man, Kathi, du hast so nen geilen Arsch. Wir hätten den auch gern – sind ja echt neidisch auf dein Hinterteil.“ Krass, damit konnte ich im ersten Augenblick gar nicht umgehen. Sowas hatte ich noch nie gehört.
Warum erzähle ich das? Warum lasse ich so tief blicken? Weil mir bewusst geworden ist, dass unsere Gesellschaft grausam ist. Unsere Gesellschaft bläut uns ein, wie wir auszusehen haben, wie wir uns zu fühlen haben, wenn wir nicht dem Ideal entsprechen. Je nach Land ist unser Körper der Tollste oder der Hässlichste. Ich für meinen Teil habe genau das in Costa Rica gelernt. Und ich habe gelernt, meinen Arsch wieder ein Stückchen mehr zu lieben.
Und weil ich (zumindest körperlich) irgendwie besser nach Costa Rica passe, möchte ich dieses Jahr nochmal zwei Monate dort verbringen. Hoch lebe die Flexibilität meines Arbeitgebers. Das mit der Zeitverschiebung ist nicht ganz so cool (8 Stunden), aber das bekomme ich sicher hin. Für Affengebrüll, Bananen zum Frühstück, Mittag- und Abendessen und ständig klebrige Haut aufgrund der unfassbar hohen Luftfeuchtigkeit geb ich alles. Es wird mega!
Rampen & hilfsbereite Männer
Vielleicht liegt es auch an meinem Hintern, aber ich war – wenn ich mit Rolli unterwegs war – ständig von hilfsbereiten Männern umgeben. Da war es keine Seltenheit, dass ich plötzlich ein paar Stufen in einen Landen hinein getragen wurde. Hätten sie mich ausreden lassen, hätt ich ihnen gesagt, dass ich auch rauf gehen kann. Aber gut… 😀
Generell war ich tatsächlich sehr überrascht von der doch sehr guten Barrierefreiheit Costa Ricas. Im Nationalpark Cahuita gab es einen zwei Kilometer langen Weg durch den Regenwald, der mit Rolli super gut befahrbar war. Behindertenparkplätze gibt es überall. Einzig die Behindertentoiletten lassen ab und zu zu wünschen übrig. Jene in Cahuita waren aber super! Man merkt, dass Costa Rica in diese Richtung echt einiges macht. Sämtliche Restaurants müssen – von Gesetztes wegen – einen barrierefreien Zugang ermöglichen. Daher gibt es in so gut wie jedes Lokal eine Rampe. Ob man von der Straße zur Rampe gelangt ist dann wieder eine andere Sache 🙂 Aber sie sind dran und sind gut darin.
Von dem Tag, an dem ich das costaricanische Paradies entdeckt habe, der Mücken-Invasion und meinem Trip durch San Jose, erzähl ich euch dann demnächst.
Eure Kathi aka loquita (die Verrückte) – so nannten sie mich dort 🙂
Kommentare
Ein KommentarStefan
Mai 7, 2022Schöner Beitrag Kathi! Und noch viel schöner ist natürlich, dass Costa Rica für dich so viel mehr sein konnte als nur ein Urlaub.